Sie zählt zu den Top-Ökonomen in Deutschland. Was aber vielleicht nicht viele wissen: Claudia Buch hat ostwestfälische Wurzeln. Am Freitag reiste die Vorsitzende der EZB-Bankenaufsicht in ihre Heimatstadt Bad Lippspringe und nahm dort an einer Diskussions- und Informationsrunde im örtlichen Pfarrheim teil.
Im Herbst 2024 hat der Pastorale Raum an Egge und Lippe eine neue Veranstaltungsreihe zum Thema „Glauben im Alltag“ gestartet. Premierengast damals war der Paderborner Künstler Erwin Grosche.
Die Auftaktveranstaltung sei ein „Mut machender Erfolg für eine Fortsetzung“ gewesen, erinnert sich Pfarrer Georg Kersting. Zweiter Gast nach Grosche war am Freitagabend Claudia Buch. Sie sprach zum Thema “Vertrauen, Geld und die Rolle der Banken”. Die 59-Jährige ist seit dem 1. Januar 2024 Vorsitzende der EZB-Bankenaufsicht mit Sitz in der Main- und Banken-Metropole Frankfurt.
Ihre Kindheit und Jugend hat Buch aber in Bad Lippspringe verbracht. In der ostwestfälischen Kleinstadt ist sie aufgewachsen und hier auch die ersten Jahre zur Schule gegangen. Das Abitur hat sie später dann am Paderborner Gymnasium Theodorianum abgelegt.
Zwischen 1985 und 1991 studierte Buch an der Universität Bonn Wirtschaftswissenschaften mit dem Abschluss als Diplom-Volkswirtin. 1996 promovierte die junge Wissenschaftlerin an der Kieler Christian-Albrechts-Universität. 2002 folgte die Habilitation.
Spätestens 2012 wurde auch die Bundespolitik auf Claudia Buch aufmerksam. Im Februar des selben Jahres berief sie die Bundesregierung in den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Buch war damals die zweite Frau, die diesem Gremium seit dessen Gründung im Jahr 1963 angehörte. Im Mai 2014 wurde die Ökonomin zur Vize-Präsidentin der deutschen Bundesbank berufen.
Trotz der beeindruckenden Vita ist Buch immer nahbar, authentisch und den Menschen zugewandt geblieben. Der Besuch in Bad Lippspringe weckte bei ihr offenbar viele schöne Erinnerungen. Den Blick in den gut besuchten Saal des Pfarrheims von St. Martin kommentierte sie mit den Worten: „Ich freue mich hier zu sein und in so viele bekannte Gesichter zu schauen.“
Und dann begann eine mehr als anderthalbstündige Fragerunde, in der es zunächst um den beruflichen Werdegang des prominenten Gasts ging. Thomas Rudolphi, neben Pfarrer Georg Kersting Moderator des Abends, wollte beispielsweise wissen, warum sich Buch am Anfang ihrer Karriere bewusst für ein Studium der Volkswirtschaft entschieden habe.
In ihrer Antwort ließ Buch erkennen, dass ihr diese Frage nicht zum ersten Mal gestellt wurde: „Ich habe schon früh den Wunsch verspürt, für das Gemeinwohl zu arbeiten. Und die Volkswirtschaftslehre hat den eindeutigen Vorteil, wissenschaftlich nah an der Gesellschaft und den Menschen zu sein.“
In den weiteren Fragen spiegelte sich auch die Angst vieler Zuhörer vor einer neuen Finanzkrise wider, wie sie die Welt zuletzt vor etwa 15 Jahren erlebt hat. Buch antwortete, dass die Finanzkrise seinerzeit hohe wirtschaftliche und soziale Kosten verursacht habe, und gerade deswegen Aufsicht und Regulierung gestärkt wurden.
Die Staatengemeinschaft habe seitdem viel unternommen, um das Finanz- und Bankensystem sicherer zu machen und mögliche Risiken präventiv zu minimieren. Die Bankenunion mit einer europäischen Aufsicht unter dem Dach der EZB ist dazu ihrer Überzeugung nach „ein wichtiger Schritt“ gewesen. Die Verpflichtung der Banken, für mehr Eigenkapital zu sorgen, bezeichnete Buch in diesem Zusammenhang als ebenso richtig und notwendig.
Eine andere Fragestellerin wollte wissen, ob nach der kurzen Hoch-Phase bei den Sparzinsen bald schon wieder mit Niedrig- oder gar Strafzinsen auf Spareinlagen zu rechnen sei. Buch, die es den Abend über vermied, aktuelle Regierungsentscheidungen („habe kein politisches Mandat“) oder die Geldpolitik zu kommentieren, versuchte sich an einer Antwort, die ein bisschen Hoffnung gab: „Dazu eine verbindliche Aussage zu treffen, wäre wie der Blick in eine Glaskugel. Aber aktuell gehen die Marktteilnehmer nicht davon aus, dass eine Phase sehr niedriger Marktzinsen in absehbarer Zeit zurückkehren wird.“
Die Frage, ob die von der AfD geforderte Rückkehr Deutschlands zur D-Mark sinnvoll sei, beantwortete Buch nur allgemein mit dem vielsagenden Hinweis: „Wir brauchen starke europäische Institutionen wie die EZB.“
Insgesamt mehr als 110 Großbanken europaweit stehen nach Aussage von Buch aktuell unter direkter Aufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Arbeit der Bankenaufsicht der EZB habe zum Ziel, das Vertrauen in die Arbeit der Banken zu stärken. Übrigens: Beim Thema „Vertrauen“ sieht Pfarrer Georg Kersting starke Berührungspunkte zwischen dem Glauben und der täglichen Arbeit der Aufsicht.
Bildunterzeile: Pfarrer Georg Kersting (3.v.l.) konnte zur zweiten Veranstaltung der Reihe „Glauben im Alltag“ die Vorsitzende der EZB-Bankenaufsicht, Claudia Buch (Bildmitte) begrüßen. Mit im Bild: Co-Moderator Thomas Rudolphi und Weihbischof Matthias König (rechts). Für die musikalische Gestaltung des Abends sorgten Kirchenmusiker Erik Strohmeier (2.v.l.) und Annastasiia Yurchenko (links). Foto: Klaus Karenfeld